Vermeidung der Doppelbesteuerung in deutsch-französischen Schenk- und Erbfällen

I. Ausgangspunkt: Sich überschneidende nationale Steuerpflichten

Sowohl Deutschland, als auch Frankreich folgen bei der Erhebung von Erbschafts- und Schenkungssteuer einer Mischung aus dem sog. Territorialitätsprinzip (Besteuerung aller im Staat belegenen Rechte und Gegenstände) und dem sog. Universalitätsprinzip (alle Personen mit Steuerwohnsitz im Staat sind dort mit ihrem Weltvermögen steuerpflichtig).

Die in den jeweiligen Ländern geltenden maßgeblichen Vorschriften werden zunächst nachfolgend dargestellt. Sie führen zwangsläufig zu einer Überschneidung der nationalen Besteuerung, bei denen sich der Steuerpflichtige der Gefahr einer Doppelbesteuerung in Form von Erbschaftssteuerforderungen beider Staaten ausgesetzt sieht. Die Mechanismen zur Vermeidung dieser Doppelbesteuerung werden nachfolgend unter Ziff. II dargestellt.

1. Persönliche Erbschaftssteuerpflicht nach nationalem deutschen Recht

a) Unbeschränkte Steuerpflicht

Nach § 2 Absatz 1 ErbStG besteht unbeschränkte Steuerpflicht, wenn der Erblasser zur Zeit seines Todes oder der Erwerber zur Zeit der Entstehung der Steuer (§ 9) ein Inländer ist. § 2 Absatz 1 Nr. 1 lit. a bis d ErbStG definieren den Begriff des Inländers. Dies sind

  • alle natürlichen Personen die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben (lit. a),
  • deutsche Staatsangehörige, die sich nicht länger als fünf Jahre dauernd im Ausland aufgehalten haben (erweiterte unbeschränkte Steuerpflicht, lit. b),
  • unabhängig von der Fünfjahresfrist auch deutsche Staatsangehörige mit Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland, die zu einer inländischen Körperschaft des öffentlichen Rechts in einem Dienstverhältnis stehen und dafür Arbeitslohn aus einer öffentlichen Kasse beziehen (deutsche Auslandsbedienstete, lit. c)
  • sowie Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen, die ihre Geschäftsleitung oder ihren Sitz im Inland haben (lit. d).

Die Begriffe Wohnsitz und ständigen Aufenthalt werden näher durch die §§ 8 und 9 der Abgabenordung (AO) definiert.

b) Beschränkte Steuerpflicht

Sofern keine unbeschränkte Steuerpflicht nach vorbezeichneter Vorschrift besteht, ist nach § 2 Absatz 1 Nr. 3 ErbStG nur der Erwerb von Inlandsvermögen steuerbar (beschränkte Steuerpflicht). Für den Begriff des Inlandsvermögens ist die in § 121 BewG enthaltene Definition maßgeblich.

2. Persönliche Erbschaftssteuerpflicht nach nationalem französischen Recht

a) Unbeschränkte Erbschaftsteuerpflicht

Nach Art. 750ter 1° des Code général des impôts (fortan kurz: CGI)  besteht unbeschränkte Erbschaftssteuerpflicht, wenn der Schenker oder Erblasser seinen steuerlichen Wohnsitz (domicile fiscal) zum Zeitpunkt des Eintritt des Todes in Frankreich hatte. Gleiches gilt nach Art. 750 ter 3° CGI auch dann, wenn lediglich der Erwerber seinen steuerlichen Wohnsitz in Frankreich hat und dieser steuerliche Wohnsitz mindestens sechs Jahre innerhalb der letzten 10 Jahre vor dem Erbfall bestanden hat

Nach Art 4B Ziff. 1 CGI besteht für folgende Personen ein steuerlicher Wohnsitz in Frankreich:

  1. Personen, die in Frankreich ihren Haushalt (foyer) oder ihren prinzipiellen Aufenthalt (séjour principal) führen;
  2. Personen, die in Frankreich eine Berufstätigkeit (activité professionnelle) ausüben ;
  3.  Personen, die Frankreich die in Frankreich das Zentrum ihrer wirtschaftlichen Interessen (centre de ses intérêts économiques) haben;

Nach Art 4B Ziff. 2. CGI verfügen auch sog. Zentralverwaltungsbeamte (agents de l’Etat), welche sich in ihrer Funktion im Ausland aufhalten, über einen Steuerwohnsitz in Frankreich.

Der prinzipielle Aufenthalt im Sinn von lit a. wird in Frankreich angenommen, wenn sich der Steuerpflichtige mehr als 183 Tage im Jahr in Frankreich aufhält.

Dafür, dass der Betroffene den Mittelpunkt seiner wirtschaftlichen Interessen im Sinn von lit. b in Frankreich hat, spricht, dass er den Hauptteil seiner Einkünfte in Frankreich erzielt.

b) Beschränkte Steuerpflicht französische Erbschaftsteuer

Auch wenn sowohl Erblasser bzw. Schenker, als auch der Begünstigte seinen steuerlichen Wohnsitz außerhalb Frankreichs hatte, besteht nach Art. 750ter 2° CGI eine beschränkte Steuerpflicht für die Vererbung oder Verschenkung von Inlandsvermögen (aus französischer Sicht).  Den Begriff des Inlandsvermögens füllt die Vorschrift näher aus.

II. Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA Deutschland-Frankreich)

Zur Vermeidung der Doppelbesteuerung von Erbschaften und Schenkungen haben Deutschland und Frankreich ein Doppelbesteuerungsabkommen geschlossen (Abkommen vom 12. Oktober 2006 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik zur Vermeidung der Doppelbesteuerung der Nachlässe, Erbschaften und Schenkungen, Bundesgesetzblatt Jahrgang 2007 Teil II Nr. 28).

Dieses ist auf die Besteuerung aller deutsch-französischen Erbfälle anzuwenden, die seit dem 03.04.2009 eingetreten sind. Weiter wird vorausgesetzt, dass der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes einen Wohnsitz mindestens in einem der beiden Vertragsstaaten hatte.

Die Doppelbesteuerung wird durch zwei verschiedene Mechanismen vermieden:

1. Vermeidung der Doppelbesteuerung durch Zuweisung des alleinigen Besteuerungsrechts, Art. 9 DBA

a) Prinzip

Nach Art. 9 DBA besteht dem Grundsatz nach ein ausschließliches Besteuerungsrecht desjenigen Staates, in dem der Erblasser bzw. Schenker seinen Wohnsitz hatte.

Beachtlich ist hierbei, dass das Art. 4 DBA den Begriff des Wohnsitzes Vertragsautonom definiert und damit in Fällen für Klarheit sorgt, in denen nach beiden nationalen Rechtsordnungen ein Wohnsitz im jeweils eigenen Land angenommen werden sollte. Für derartige Fälle von Doppelansässigkeiten greift neben den klassischen sog. Tie-Breaker-Rules (ständige Wohnstätte – Mittelpunkt der Lebensinteressen – gewöhnlicher Aufenthalt – Staatsangehörigkeit – Regelung im gegenseitigen Einvernehmen der jeweils zuständigen Behörden der Vertragsstaaten) nach Art. 4 Abs. 2 DBA auch eine Sonderregelung in Abhängigkeit der Staatsangehörigkeit des Erblassers bzw. des Schenkers: Nach Art. 4 Abs. 3 DBA ist eine natürliche Person, die zum Zeitpunkt ihres Todes bzw. zum Zeitpunkt der Schenkung Staatsangehöriger nur eines Vertragsstaates war und die nach Art. 4 Abs. 1 DBA – mithin ohne Anwendung der Tie-Breaker-Rules nach Abs. 2 – einen Wohnsitz in beiden Vertragsstaaten hatte, im Sinn des Abkommens nur im Staatsangehörigkeitsstaat ansässig, „wenn diese Person die eindeutige Absicht hatte, ihren Wohnsitz im anderen Staat nicht auf Dauer beizubehalten und wenn sie während der dem Zeitpunkt des Todes oder der Schenkung unmittelbar vorausgehenden sieben Jahre ihren Wohnsitz dort insgesamt weniger als fünf Jahre hatte“.

b) Ausnahme 1: Art. 5 bis 8 DBA

Nach dem ausdrücklichen Wortlaut des Art. 9 DBA gibt es allerdings „ausnahmsweise“ ein konkurrierendes Besteuerungsrecht des Belegenheitsstaates in den Fällen der Artikel 5, 6, 7 und 8 DBA. Nach Artikel 11 in Verbindung mit Artikel 9 DBA kann unabhängig vom Wohnsitz des Erblassers bzw. des Schenkers, auch im Belegenheitstaat besteuert werden:

  • unbewegliches Vermögen, Art. 5
  • bewegliches Vermögen einer Betriebsstätte oder einer festen Einrichtung, Art. 6 ,
  • Schiffe und Luftfahrzeuge, Art. 7
  • bewegliches Vermögen, Art. 8; Hierunter fallen grundsätzlich alle beweglichen Gegenstände des Privatvermögens mit Ausnahme allerdings von Bargeld, Forderungen jeder Art, Aktien und Gesellschaftsanteilen sowie um alle beweglichen Gegenstände die zum Todeszeitpunkt zwar im Wohnsitzfremden Staat gelegen waren, ohne zum dauerhaften Verbleib bestimmt gewesen zu sein, wie im Protokoll zum Abkommen unter Ziff. 4 klargestellt wird.

Zu beachten ist hierbei insbesondere auch die Regelung des Artikels 11 Abs. 1 lit. b DBA: Hatte der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes (oder der Schenker im Zeitpunkt der Schenkung) seinen Wohnsitz nicht in Frankreich, so wird die französische Steuer auf das Vermögen, das nach Art. 9 iVm. Art. 5 bis 8 DBA ausnahmsweise wegen seiner Belegenheit konkurrierend auch in Frankreich besteuert werden kann, unter Anwendung des Satzes ermittelt, der für das gesamte Vermögen gilt, das nach nationalem französischem Recht – nämlich nach Art. 750ter 2° CGI – unter Berücksichtigung des dort statuierten Begriffs des Inlandsvermögens (s.o.) ohne Bestehen des DBA zu besteuern wäre. Hiermit wird eine Art Progressionsvorbehalt (règle du taux moyen) in Bezug auf jegliches französisches Inlandsvermögen statuiert. Einen vergleichbaren Progressionsvorbehalt auf deutscher Seite enthält das DBA nicht.

Beispiel.: Ein Erblasser mit Wohnsitz in Deutschland hinterlässt einem Erben mit Wohnsitz in Deutschland eine in Frankreich belegene Immobilie, ein Bankguthaben bei einer französischen Bank sowie ein Bankguthaben bei einer Bank in Deutschland. Damit hat Frankreich ein konkurrierendes Recht zur Besteuerung lediglich der Immobilie. Der hierauf anzuwendende Steuersatz wird allerdings ermittelt aus dem Satz, der ohne DBA nach Art. 750 ter 2° CGI auf das französische Inlandsvermögen bestehend aus Grundstück und Guthaben bei der französischen Bank anzuwenden wäre. 

c) Ausnahme 2: Art. 11 Absatz 1 lit. c und Absatz 2 lit. b DBA

Nach Art. 11 Absatz 1 lit. c und Absatz 2 lit. b DBA gilt das das ausschließliche Besteuerungsrecht des Wohnsitzstaates des Erblassers in Ausnahme zu Art. 9 DBA ebenfalls nicht, wenn der Erwerber (d.h. der Erbe, Vermächtnisnehmer, Schenkungsempfänger oder sonstige Begünstigte) seinen Wohnsitz im anderen Staat hat. Auch diesem letzteren Staat (Wohnsitzstaat des Erwerbers, der ein anderer Staat ist als der Wohnsitzstaat des Erblassers/Schenkers) steht dann ein konkurrierendes Besteuerungsrecht zu.

2. Vermeidung der Doppelbesteuerung bei konkurrierendem Besteuerungsrecht durch Anrechnung, Art. 11 DBA

In den beiden vorbezeichneten „Ausnahmefällen“ konkurrierenden Besteuerungsrechts wird eine Doppelbesteuerung durch Anrechnungsmechanismen vermieden, die in Art. 11 DBA vorgesehen sind:

a) Anrechnung im Falle Frankreichs

Nach Art. 11 Absatz 1 DBA wird die Doppelbesteuerung im Falle Frankreichs durch Anrechnung wie folgt vermieden:

(1) Anrechnung der Steuer Deutschlands als Belegenheitsstaat, Art. 11 Abs. 1 lit. a DBA

Hatte der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes (oder der Schenker zum Zeitpunkt der Schenkung) seinen Wohnsitz in Frankreich, so besteuert Frankreich das gesamte Nachlassvermögen und rechnet auf diese Steuer den Betrag an, die in der Bundesrepublik Deutschland für das dort nach Art. 5 bis 8 DBA steuerbare Vermögen gezahlt wird. Dieser Anrechnungsbetrag darf jedoch den Teil der vor der Anrechnung ermittelten französischen Steuer nicht übersteigen, der auf das Vermögen entfällt, für das die Anrechnung zu gewähren ist (Anrechnungshöchstbetrag).

(2) Anrechnung der Steuer Deutschlands als Wohnsitzstaat des Erblassers, Art. 11 Abs. 1 lit. c DBA

Hatte der Erwerber im Zeitpunkt des Todes des Erblassers (oder im Zeitpunkt der Schenkung) seinen Wohnsitz in Frankreich, so kann Frankreich – wie bereits dargelegt – ungeachtet des Artikels 9 den gesamten Erwerb dieser Person besteuern; es rechnet nach Maßgabe der Vorschriften des französischen Rechts über die Anrechnung ausländischer Steuern auf die nach seinem Recht festgesetzte Steuer die Steuer an, die in der Bundesrepublik Deutschland für anderes als das Vermögen gezahlt wird, das nach den Artikeln 5, 6, 7 und 8 in Frankreich besteuert werden kann.

b) Anrechnung im Falle Deutschlands

Nach Art. 11 Absatz 2 DBA wird die Doppelbesteuerung im Falle Deutschlands durch Anrechnung wie folgt vermieden:

(1) Anrechnung der Steuer Frankreichs als Belegenheitsstaat, Art. 11 Abs. 2 lit. a DBA

Hatte der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes (oder der Schenker im Zeitpunkt der Schenkung) in der Bundesrepublik Deutschland seinen Wohnsitz, so rechnet die Bundesrepublik Deutschland nach Maßgabe der Vorschriften des deutschen Rechts über die Anrechnung ausländischer Steuern auf die nach ihrem Recht festgesetzte Steuer die Steuer an, die in Frankreich für das Vermögen gezahlt wird, das nach den Artikeln 5, 6, 7 und 8 in Frankreich besteuert werden kann. Gemeint ist hier die Anrechnungsvorschrift des § 21 ErbStG, wobei hier die Definition des Auslandsvermögens nach § 21 Absatz 2 ErbStG durch diejenige der Artikel 5 bis 8 DBA überlagert werden.

(2) Anrechnung der Steuer Frankreichs als Wohnsitzstaat des Erblassers, Art. 11 Abs. 2 lit. b DBA

Hatte der Erwerber im Zeitpunkt des Todes des Erblassers oder im Zeitpunkt der Schenkung in der Bundesrepublik Deutschland seinen Wohnsitz, so kann die Bundesrepublik Deutschland – auch hier wiederum – ungeachtet des Artikels 9 den gesamten Erwerb dieser Person besteuern; sie rechnet nach Maßgabe der Vorschriften des deutschen Rechts über die Anrechnung ausländischer Steuern (wiederum nach § 21 ErbStG) auf die nach ihrem Recht festgesetzte Steuer die Steuer an, die in Frankreich für anderes als das Vermögen gezahlt wird, das nach den Artikeln 5, 6, 7 und 8 in der Bundesrepublik Deutschland besteuert werden kann

Stand: 01.11.2017
Autor: Armin Vigier, Rechtsanwalt-Avocat
 

Rechtlicher Hinweis:                                                                                   
Diese Abhandlung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und soll lediglich einem ersten Überblick dienen. Insbesondere kann sie eine Einzefallbezogene Beratung nicht ersetzen. Naturgemäß kann daher für die hier gemachten Ausführungen keine Haftung übernommen werden. Für verbindliche Auskünfte im Einzelfall stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.