VEFA – Fertigstellung, Abnahme und Gewährleistung

Der vorliegende Artikel behandelt die besonderen Vorschriften über die Fertigstellung, Abnahme und Gewährleistung im Rahmen des Kaufs im Zustand der zukünftigen Fertigstellung (Vente en l’état futur d’achèvement, kurz: VEFA) nach französischem Recht. Dieser Vertragstyp wird  relevant, wenn ein Bauträger entscheidet, auf einem ihm gehörenden Grundstück ein Gebäude zu errichten und die Gesamtheit (Grundstück und Gebäude) an einen Dritten zu veräußern. Die gesetzliche Regelung findet sich in Art. 1601-2 Code civil und L. 261-1 ff. CCH.

Der Verkäufer hat dem Erwerber das Werk vertragskonform innerhalb der vertraglich vereinbarten Frist zu liefern. Hiermit wird die sog. Übergabeverpflichtung (obligation de délivrance) erfüllt.

Folgende Etappen sind dabei zu unterscheiden:

– Der Empfang der Immobilie (réception de l’immeuble) 

Wenn alle Arbeiten abgeschlossen sind, erfolgt ein erster Empfang durch den Verkäufer-Promoteur seitens der verschiedenen Bauausführenden Unternehmen. Es wird ein Protokoll erstellt, in dem etwaige Sachmängel verzeichnet werden. Mit diesem Empfang wird die Frist für die von den Bauunternehmen geschuldete Garantien in Gang gesetzt, sowohl für die Einjahresgarantie für alle offensichtlichen Mängel (garanties de parfait achèvement), die Zweijahresgarantie für Sachmängel an Ausstattungselementen (garantie biennale) sowie die Zehnjahresgarantie für Soliditätsschäden (garantie décennale). Die Einzelheiten hierzu werden unten noch näher dargestellt.

– Die Lieferung des Werkes (livraison du bien)

Sodann wird der Käufer geladen um die Lieferung (livraison) und den Besitz (possession) des Werkes vom Verkäufer entgegenzunehmen.

Mit dieser Lieferung wird die Frist für die vom Verkäufer geschuldete Gewährleistung in Hinblick auf offensichtliche Sach- und Konformitätsmängel in Gang gesetzt (siehe unten). Mit Empfang der Lieferung durch Schlüsselübergabe wird der Käufer Eigentümer der gesamten Immobilie und es geht die Sachgefahr auf ihn über.

I. Folgen des Überschreitens der vertraglichen Lieferfrist (délai de livraison)

Wenn das Datum der vertraglichen Fertigstellungs-/Lieferfrist überschritten wird, heißt dies nicht zwingend, dass die Haftung des Verkäufers eröffnet ist. Die Verträge sehen in der Regel bestimmte Ereignisse vor, welche die Verlängerung der Frist rechtfertigen können (Beispiele: Streik, außergewöhnliche Wetterbedingung etc.).

Allerdings kann der Käufer rechtlich gegen einen Verkäufer vorgehen, der ohne rechtfertigenden Grund die Lieferung verzögert, insbesondere kann dann nach gesetzlichen Vorschriften Schadensersatz verlangen.

II. Folgen von Konformitäts- und Sachmängeln

1. Konformitätsmängel (défauts de conformité)

Wenn das gelieferte Werk nicht den in der Baubeschreibung (notice descriptive) oder den Plänen (plans) näher definierten Anforderungen entspricht, liegt ein Konformitätsmangel (défaut de conformité) vor. Für die Rechtsfolgen ist weiter zu unterscheiden:

Im Fall eines wesentlichen Konformitätsmangel (défaut de conformité substantiel), kann keine Fertigstellung (achèvement) angenommen werden und folglich auch keine Lieferung erfolgen. Das Werk gilt nicht als fertiggestellt (Beispiele: Parkplatz schmaler als vorgesehen, Fehlen einer Tür, Fehlen einer Heizungsanlage). Der Erwerber ist nicht verpflichtet die Schlussrate zu zahlen. Es erfolgt auch noch keine Schlüsselübergabe, solange keine Konformität hergestellt wird. Unter bestimmten weiteren Bedingungen kann der Erwerb gegebenenfalls sogar die Rückabwicklung des Vertrags fordern.

Im Fall eines lediglich nicht wesentlichen Konformitätsmangels (défaut de conformité non substantiel) (Beispiel: Teppichboden anstatt Parkett), hat der Käufer die Schlussrate zu zahlen und es erfolgt gleichzeitig bereits die Schlüsselübergabe. Der Käufer hat einen Anspruch auf Herstellung der Konformität nach den nachfolgend unter Ziff. III.dargestellten Vorschriften.

Sachmängel (malfaçons)

Sachmängel liegen vor, wenn die Arbeiten zwar mit der Baubeschreibung (notice descriptive) oder den Plänen übereinstimmen, aber mangelhaft ausgeführt sind. (Beispiel: fehlerhafte Steigung der Terrasse, durch welche das Regenwasser nicht abfließen kann oder defekte Elektroinstallationen etc.).

Wenn der Sachmangel die Nutzung des Werks zu seinem Bestimmungsgemäßen Gebrauch verhindert, liegt keine Fertigstellung (achèvement) und mithin keine Lieferung vor. Auch hier gilt das Werk als nicht fertiggestellt (Beispiel: Die Elektroinstallationen funktionieren nicht und bedürfen bedeutender Reparaturarbeiten). Auch hier muss der Erwerber nicht die Schlussrate zahlen und es erfolgt keine Schlüsselübergabe, solange die Mängel nicht beseitigt sind. Auch hier kann der Erwerber unter bestimmten weiteren Bedingungen die Rückabwicklung des Vertrags fordern.

Wenn der Sachmangel von lediglich geringerer Bedeutung ist, wird er als einfacher Vorbehalt in das Abnahmeprotokoll (procès verbal de réception) aufgenommen. Der Käufer zahlt die Schlussrate. Gleichzeitig erfolgt bereits die Schlüsselübergabe. Der Käufer hat einen Anspruch auf Beseitigung des Sachmangels nach den nachfolgend unter Ziff. III.dargestellten Vorschriften.

III. Garantien und Gewährleistungsansprüche

1. Garantien in Hinblick auf die Fertigstellung (garanties d’achèvement)

Zum Schutz des Erwerbers einer Wohnimmobilie gegen das Risiko wesentlicher Konformitäts- oder Sachmängel, die der Fertigstellung und damit dem Empfang (réception) und der Lieferung (livraison) entgegenstehen, muss der Verkäufer-Promoteur zwingend entweder eine sog. Fertigstellungsgarantie oder eine sog. Rückzahlungsgarantie beibringen.

1.1 Die Fertigstellungsgarantie (garantie d’achèvement)

Es handelt sich um eine Bankbürgschaft, auch externe Garantie genannt (garantie extrinsèque). Mit dieser Bürgschaft verpflichtet sich ein Kreditinstitut im Fall des Ausfalls des Verkäufers die Geldbeträge zu leisten, die nötig sind um die Arbeiten fertigzustellen. Für die Bauvorhaben, für die der Baugenehmigungsantrag noch vor dem 01.01.2015 eingereicht wurde, kann der Verkäufer auch eine sog. eigengesicherte Garantie vorlegen (garantie intrinsèque), bei der kein dritter Bürge auftritt.

1.2 Die Rückzahlungsgarantie (garantie de remboursement)

Wenn die vertragswidrige Nicht-Fertigstellung des Werkes den Käufer zum Rücktritt vom Vertrag berechtigt, hat dieser einen Anspruch auf Rückzahlung des geleisteten Kaufpreises. Dieser Rückzahlunganspruch ist durch die sog. Rüchzahlungsgarantie einer Bank gesichert.

2. Garantien und Gewährleistung nach Fertigstellung

In Hinblick auf die Garantien und Gewährleistungsansprüche für alle nicht wesentlichen Konformitäts- Sachmängel, die nicht die Fertigstellung als solche und damit Empfang (réception) und Lieferung (livraison) in Frage stellen, ist zwischen der von den ausführenden Bauunternehmen einerseits (nachfolgend 2.1.) und der vom Verkäufer/Promoteur geschuldeten Gewährleistung (nachfolgend 2.2.) zu unterscheiden.

2.1. Die von den ausführenden Bauunternehmern nach Empfang (réception) geschuldete Gewährleistung

Hinsichtlich der von den ausführenden Bauunternehmen nach Empfang (réception) geschuldeten Gewährleistung sind drei verschiedene Garantien mit verschiedenen Laufzeiten zu unterscheiden.

2.1.1. Die Einjahresgarantie für alle offensichtlichen Konformitäts- und Sachmängel (garantie de parfait achèvement des travaux), Art. 1792-6 Cc

Es geht hierbei um die Haftung der jeweils ausführenden Bauunternehmen (nicht des Verkäufers) für jegliche Konformitäts- oder Sachmängel, die

  • entweder im Rahmen des Empfangs des Werkes durch den Verkäufer (réception)
  • oder spätestens innerhalb eines Jahres seit dem Empfang vom Verkäufer oder Käufer (réception)

gerügt worden sind. Für Rügen innerhalb des Jahres nach Empfang (réception) des Werkes sind per Einschreibens mit Rückschein zu erheben.

Hilft der Unternehmer nicht fristgerecht ab, kann unter bestimmten weiteren Voraussetzungen eine Ersatzvornahme durchgeführt werden und notfalls gerichtlich die Erstattung durch den Unternehmer durchgesetzt werden.

2.1.2. Zweijahresgarantie für Sachmängel an Ausstattungselementen (garantie biennale), Art.1792-3 Cc

Die Zweijahresgarantie (garantie biennale) verpflichtet die ausführenden Bauunternehmer, während einer Dauer von 2 Jahren seit Empfang (réception) alle nicht funktionierenden Ausstattungselemente (éléments d‘équipement) zu reparieren oder zu ersetzen, die nicht korrekt funktionieren.

Als Ausstattungselemente (éléments d‘équipement) gelten alle Bestandteile die vom Rohbau (gros oeuvre) getrennt werden können, ohne diesen zu beschädigen. Der Begriff umfasst insbesondere:

  • Kanalisationen, Rohre, Heizkörper, Kabelleitungen, Verkleidungen;
  • bewegliche Elemente, die zum Verschluss oder zur Abdeckung des Rohbaus dienen: z.B. Türen, Fenster, Fensterläden, Jalousien

Ausgenommen von der Haftung sind Beschädigungen aufgrund unsachgemäßen Gebrauchs, mangelnder Pflege oder natürlicher Abnutzung. Der Bauunternehmer ist gesetzlich verpflichtet, für das Haftungsrisiko eine Versicherung abzuschließen.

Mängelrügen sind innerhalb des Jahres nach Empfang (réception) des Werkes per Einschreiben mit Rückschein zu erheben. Hilft der Unternehmer bzw. die Versicherung nicht fristgerecht ab, kann unter bestimmten weiteren Voraussetzungen eine Ersatzvornahme durchgeführt werden und notfalls gerichtlich die Erstattung durch den Unternehmer durchgesetzt werden.

2.1.3 Die Zehnjahresgarantie für Soliditätsschäden (garantie décennale), Art. 1792-4-1 Cc

Die Zehnjahresgarantie verpflichtet den ausführenden Bauunternehmer zur Beseitigung von allen sog. Soliditätsschäden, die innerhalb von 10 Jahren seit Empfang (réception) des Bauwerks eintreten. Als Soliditätsmängel gelten alle Mängel, die

  • entweder die Solidität des Bauwerks in Frage stellen (Beispiel: Einsturzgefahr),
  • oder die Nutzung des Bauwerks zu seinem Bestimmungsgemäßen Gebrauch in Frage stellen (Beispiel: Undichtigkeiten, Große Risse in Wänden, Decken oder Böden).

Die Garantie erstreckt sich auch auf alle Ausstattungselemente, die nicht vom Bauwerk getrennt werden können, ohne dieses zu beschädigen (Beispiel: In Wand eingemauerte Kanalisationen, Leitungen etc.). Grundsätzlich haftet der Unternehmer nur, wenn er den Schaden zu vertreten hat, wobei eine gesetzliche Vermutung für sein Verschulden besteht, er kann sich aber durch einen entsprechenden Gegenbeweis exkulpieren.

Der Bauunternehmer ist auch hier gesetzlich verpflichtet, für das Haftungsrisiko eine Versicherung abzuschließen.

Die Mängel müssen unverzüglich nach Entdeckung dem Unternehmer bzw. der Versicherung per Einschreiben mit Rückschein mit Aufforderung zur Abhilfe und Fristsetzung angezeigt werden.

2.2. Die vom Verkäufer nach Lieferung geschuldete Gewährleistung

Die daneben vom Verkäufer/Promoteur geschuldeten Garantien sind wie folgt zu unterscheiden:

2.2.1. Gewährleistung des Verkäufers in Hinblick auf offensichtlicher Sach- und Konformitätsmängel (garantie des vices et défauts de conformités apparents“, Art. 1642-1 Code civil

Der Verkäufer haftet dem Käufer für alle Mängel, die bei Lieferung (livraison) bzw. Besitzübernahme (prise de possession) bestehen oder innerhalb eines Monats seit diesem Zeitpunkt auftreten.

Nach der Rechtsprechung des Kassationsgerichtshofs, verfügt der Käufer über ein Jahr, um den Mangel gegenüber dem Verkäufer geltend zu machen. Er muss allerdings nachweisen, dass der Mangel spätestens innerhalb eines Monats nach Lieferung festgestellt wurde, dewegen empfiehlt es sich immer die Mängel, die im Übergabeprotokoll versehentlich nicht verzeichnet wurden, noch möglichst vor Ablauf eines Monats seit Lieferung per Einschreiben mit Rückschein an den Verkäufer zu rügen.

2.2.2 Die Einjahres-Verkäufergewährleistung in Hinblick auf die Schallisolierung (garantie d’isolation phonique), Art- L111-11 CCH

Nach dem ausdrücklichen Wortlaut des Art. L111-11 des Bauwerks- und Wohnungsgesetzes (Code de la construction et de l’habitation, fortan kurz: CCH) unterällt zwar die Verpflichtung der Einhaltung der im Rahmen der Errichtung eines Wohngebäudes geltenden Vorschriften in Hinblick auf die Schallisolierung (isolation phonique) grundsätzlich der Einjahresgarantie des Unternehmers für alle offensichtlichen Konformitäts- und Sachmängel (garantie de parfait achèvement des travaux) nach Art. 1792-6 Cc (siehe oben Ziff. 2.1.1.).

Daneben ist aber gegenüber dem Käufer als Erstnutzer (premier occupant) auch der Verkäufer/Promoteur Garant für die Gesetzeskonformität in dieser Hinsicht.

Die Garantie läuft über ein Jahr ab Inbesitznahme (prise de possession) des Käufers bei Lieferung.

2.2.3. Zehnjahres-Bauschadensgarantie (garantie dommages-ouvrages), Art.1646-1 Cc

Als Bauherr (maître de l’ouvrage) ist der Verkäufer/Promoteur gesetzlich verpflichtet, eine sog. Bauschadensversicherung (assurance dommages-ouvrage) abzuschließen. Diese dient einer unkomplizierten Vorfinanzierung der Mängelbeseitigung. Schließt er diese Versicherung nicht ab, haftet er insoweit persönlich.

Im Rahmen dieser Versicherung bzw. Haftung besteht Schutz des Käufers

  • sowohl für Schäden im Gebäudebereich aufgrund mangelnder Solidität oder fehlender Nutzbarkeit des Gebäudes (malfaçons qui menacent la solidité de la construction et les désordres qui remettent en cause la destination de l’ouvrage),
  • als auch für Schäden an nichttrennbaren Ausstattungslementen des Bauwerks (éléments d’équipement indissociables de l‘ouvrage).

Inhaltlich deckt sich die Bauschadensgarantie (garantie dommages-ouvrages) des Verkäufers mithin weitestgehend mit der vom Bauunternehmer geschuldeten Zehnjahresgarantie für Soliditätsschäden (garantie décennale, s.o. Ziff. 2.1.3). Das Versicherungsunternehmen des Verkäufers, das aufgrund der Bauschadensversicherung (garantie dommages-ouvrages) zunächst eintritt, nimmt in der Folge die Zehnjahresversicherung für Soliditätsschäden (garantie décennale) in Regress

Stand: 01.11.2017
Autor: Armin Vigier, Rechtsanwalt-Avocat

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